Kunst und Konsum


Autorinnen Barbara Zelger, Barbara Bachmann und Maria C. Hilber (v.l.) bei der Lesung auf der Schafalm

Autorinnen Barbara Zelger, Barbara Bachmann und Maria C. Hilber (v.l.) bei der Lesung auf der Schafalm

Von Kathrin Werth

Der morgendliche Weckruf meines Handys wird in Alpbach ersetzt durch das pünktliche Eintreffen des SMS-Service mit Auskunft über Zeit und Ort der Highlights des Tages. Was folgt ist das Wälzen von gleich drei Programmheften, kombiniert mit dem Konsultieren von zwei Apps, die gemeinsam und nur mit Mühe das gesamte Tagesprogramm zusammenfassen. Abschließend ein rascher Blick nach draußen auf den Balkon um die Kleiderwahl besser abwägen zu können und ein kurzes Beratschlagen über die getroffene Programmwahl am Frühstückstisch – schon bin ich auf dem Weg zur ersten Veranstaltung des Tages. Podiumsdiskussionen wechseln sich ab mit Vorträgen und werden gefolgt von „Breakout Sessions“. Ich sitze, höre zu, werde ermutigt, über das Gehörte nachzudenken und Fragen zu stellen, darf mitdiskutieren, mitdenken und mitarbeiten. Es ist ein Genuss, Wissen zu konsumieren, ohne Hintergedanken, einfach aus Interesse am Gedankenaustausch. Am Ende stehen oft mehr Fragen als Antworten, eigentlich ausreichend für abendfüllende Diskussionen.

Aber dann gibt es da auch noch das Kulturprogramm. „Nett“, denke ich mir anfangs, „dass die sich hier auch noch um unsere Freitzeitgestaltung kümmern“ und finde es toll, dass es abends noch Filmvorführungen, Konzerte und Lesungen gibt. Klar, dass ich mir soviel wie möglich davon ansehe. Und dann passiert folgendes: ich sitze in Alice Rohrwachers ‚Le meraviglie‘ und durch die Szene einer italienischen Realityshow wird mir plötzlich klar, was Giorgio Agamben mit seinem Text über den Verlust des Sakralen gemeint hat. Im Seminar am Tag davor hatte ich das einfach nicht verstanden. Ich höre mir ein Konzert mit Piano und Chello an und mit einem Mal möchte ich unbedingt wissen, wie Akustik eigentlich funktioniert, obwohl ich alles Technische ansonsten mit größtem Erfolg zu ignorieren weiß. Ich gehe zu einer Lesung junger Südtiroler Autorinnen und stelle fest, dass sie dieselben Themen beschäftigen wie viele Experten und sie einfach nur in andere – vielleicht schönere – Worte packen.

Ich stelle fest, ohne das Kulturprogramm blieben mir viele Zusammenhänge und Schlussfolgerungen aus den Fachvorträgen verborgen. Möglicherweise bildet das Verzauberte und Nicht-Rationale in der Welt also einen wichtigen Aspekt in der Diskussion über eine neue Aufklärung.

Nachdem die letzte Seite im Programmheft umgeblättert ist, wird die Seifenblase von Alpbach einfach zerplatzen. Der Geist von Alpbach wird aber noch lange nachhallen.