EFA_diario #1: Musik als Bindeglied in Krisenzeiten


Die Seminarwoche und so auch meine diesjährige Zeit in Alpbach neigt sich langsam dem Ende zu. Deshalb ist es Zeit, die erlebten Tage nochmal revue passieren zu lassen.

Dieses Jahr durfte ich als Stipendiatin vor Ort dabei sein, nachdem ich letztes Jahr das Forum online verfolgt habe. Das ist wirklich nochmal eine komplett andere Erfahrung – denn schon beim Ankommen in Alpbach so nett empfangen zu werden von Hannes, dem Besitzer unserer Unterkunft, dem Haus Barbara bis hin zu einem Kongresszentrum voller neuer „bemaskter“ Gesichter. Seit vor Beginn der Pandemie hatte ich nicht mehr so viele neue Leute kennengelernt, weshalb meine Freude und Lust, am Forum teilzunehmen umso größer gewesen war. Kaum war ich aus dem Bus mit meinem viel zu großen Koffer in Alpbach ausgestiegen, spürte ich die besondere Atmosphäre, die das Dorf und das Forum mit sich bringen. Schon auf der recht langen Reise mit dem Zug von Bozen nach Alpbach, die ich gemeinsam mit meinem Co-Stipendiaten Philipp angetreten habe, überkam mich während unserer anregenden Diskussionen, der berühmte Alpbach-Spirit, der mich auch nicht mehr verließ. Denn nach der Eröffnung durch den neuen Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach, Andreas Treichl, am Mittwoch, den 18. August, gingen am Donnerstag bereits die Seminare los.

Credits: Ariane Benedikter

Eines der beiden Seminare, für welche wir uns im Vorhinein angemeldet hatten, hieß „Collaboration through the Power of Music“. Als ich zur ersten Session ging, wurden alle herzlich von den beiden Dozentinnen, Katarina, einer schwedischen A cappella-Sängerin und Dora, einer ungarischen Dirigentin, empfangen. Gleich zu Beginn musste jede*r Teilnehmende seinen oder ihren Namen mit einer Bewegung singen oder rhythmisch sprechen, um das Eis zu brechen. D-d-d-dora, Katarina-na, Aaaa-riane. Schon bei diesem Spiel merkte man, wie dieselbe positive und hoffnungsvolle Energie durch die Runde, bestehend aus Leuten, die schon oft oder noch nie Musik gemacht hatte. Das Thema, welches unser Lernen, Singen und Experimentieren anleitete, war „The Sounds of Humanity“. Mit Klatsch-improvisationen in Kleingruppen oder anderen Rhythmusübungen, ein- und mehrstimmige Lieder die wir gemeinsam erarbeitet haben, oder ein atmosphärisches Summen während wir langsam über die Wiese oberhalb des Kongresszentrums gingen, erforschten wir sowohl die schönen als auch die weniger harmonischen Seiten der Menschen rhythmisch und sonor. Egal ob es der Klang von Lachen oder der von Nägeln auf einer Tafel war, den wir darstellten – all das gehört zum Mensch-Sein dazu. Von Tag zu Tag, wurde die Energie und die Bindung in dieser Gruppe stärker. Ein besonders schöner Moment war der, wo alle die Augen geschlossen haben mussten und jede*r eine Phrase eines Liedes vorsingen musste, die ihr bzw. ihm viel bedeutete, um nachher zu erklären, wieso wir gerade dieses Lied ausgewählt hatten. Für mich, die 10 Jahre lang Querflöte gespielt hatte und auch im Jugendchor gesungen hatte, war dieses Seminar eine Art Heimkommen – eine Art Erinnerung, welche Kraft, Internationalität und tiefe Verbindung und Hoffnung Musik schaffen kann.  Es war so schön zu sehen, dass auch manche, die anfangs fühlten „out of their comfort zone“ zu sein ihre Schüchternheit ablegten und sich die Gruppendynamik zu formen und entwickeln begann. Sofort waren wir im Einklang und es hat einfach nur riesen Spaß gemacht zusammen zu musizieren, gemeinsam Emotionen zu durchleben, verletzlich zu sein. Das hat mir, ja ich glaube fast uns allen sehr gefehlt – vor allem in der Coronazeit, wo gemeinsam musizieren, improvisieren und experimentieren leider so begrenzt, aber so nötig war bzw. ist.

Ja, der Titel „Collaboration through the Power of Music“ hatte eigentlich von Beginn an alles gesagt, denn Musik schweißt einfach zusammen und ist da, wenn ein Gruppenmitglied Unterstützung braucht. Das hat sowohl unsere schnell einstudierte Ode an ein Mitglied, das in Quarantäne musste, am vorletzten Tag, als auch die abschließende Aufführung am Dienstag gezeigt, wo wir als eingespieltes Team unsere Arbeit präsentierten. Mit einer Woche so viel guter Energie und einer so tiefen Bindung, die ich durch diesen Workshop gegenüber anderen Menschen entwickelt habe, fahre ich morgen voller Positivität nach Hause und werde sicher noch lange die heilende und verbindende Kraft dieses Musikseminars und des Alpbach-Spirits in mir spüren.

Ariane Benedikter