Felix‘ Alpbach-Highlights bzw. was DICH in Alpbach erwarten könnte


Stipendium 2015Rustikale Holzarchitektur mit wuchtigen, blumenbesetzten Balkonen und steilen Satteldächern, inmitten einer alpinen Berglandschaft, weitab von den wichtigen Verkehrswegen – eine selige Ruhe. Sommerfrische? Alpbach ist, Hand aufs Herz, wohl der letzte Ort, an dem man sich ein internationales Forum zum Thema „Europe at the Crossroads – Europa am Scheideweg“ vorstellen könnte, wäre man nicht besser informiert.

Seit nunmehr 70 Jahren ermöglicht das Europäische Forum Alpbach in diesem recht abgelegenen Nordtiroler Bergdorf bei Seminaren, Vorträgen, Kamingesprächen, Diskussionen zu Politik, Wirtschaft, Gesundheit, Baukultur u.v.m. mit Referenten von Weltrang einen offenen Gedankenaustausch, der über Nationen, Religionen, gesellschaftlichen Status hinausgeht: Hier sind alle Gesprächsteilnehmer gleichberechtigt.

Meine erste Teilnahme am Europäischen Forum im Jahr 2014, als einer von rund 700 glücklichen Stipendiaten aus Europa und aller Welt, hat bei mir merklich Spuren hinterlassen. Ob es nun die Rede Catherine Ashtons, der Werkvortrag des Verhüllungskünstlers Christo mit nachfolgendem Selfie, die Wanderungen mit neuen Bekannten oder die abendlichen, wie selbstverständlich entstehenden Debatten rund um Gott und die Welt waren, ich habe diese zweieinhalb Wochen im Spätsommer voll ausgekostet!

Im Folgenden schildere ich drei ziemlich subjektiv herausgefischte Höhepunkte der ‚avventura alpbachiana‘, die das Gebundene verbindet: 3 Bücher, 3 Anekdoten!

1) Vaclav Smil: Prime Movers of Globalization. The History and Impact of Diesel Engines and Gas Turbines

Sommerliche Nachhilfestunden in brütend heißen Klassenräumen? Dieses Jugendtrauma wird man wohl am besten in der Alpbacher Hauptschule bewältigen. Es ist hier nicht nur erfrischend „frisch“, sondern auch erstaunlich un-schulig: Die Seminarwoche, der meisten erster Kontakt mit dem Forumsalltag, bietet die Gelegenheit, zu Themen wie der Energiewende, dem menschlichen Mikrobiom und der Makroökonomie wahren Koryphäen in ihren jeweiligen Fachgebieten zu lauschen. Auch kritische Fragen werden eingeworfen, die im Klassenraum leidenschaftliche Diskussionen entfachen können. Professor Vaclav Smil, ein profunder Kenner der irdischen Energieressourcen, steuert in seinem Seminar in Richtung fossile Brennstoffe, Solar- und Windenergie steht er kritisch gegenüber. Mit einer brillanten Argumentationstechnik gesegnet, hebelt er auch die Argumente der im Raum anwesenden Verfechter der erneuerbaren Energieformen aus. Egal, mit welcher Überzeugung man den Saal verlässt, BesucherInnen dieses Seminars sind für die komplexe Problemstellung der Energiewende sensibilisert. Smil, ein Mittsechziger tschechischer Abstammung, Emeritus am MIT, ist außerdem ein begnadeter Autor wissenschaftlicher Literatur und wird selbst von Bill Gates gelesen. Mit mehr Glück als Verstand schaffe ich es, in einem zugegebenermaßen an Grundschulzeiten erinnernden Aufzeige-Wettbewerb ein signiertes Exemplar eines seiner Bücher zu ergattern. Anders als ein Fleißbildl bietet das Werk Smils aber tatsächlich eine Lektion in Sachen Weltgeschichte.

2) Robert Prosser: Geister und Tattoos

Geisterhaft mutet das alte Alpbacher Hallenbad an, in dem das Wasser ausgelassen, zum Ausgleich allerdings einige Holzbänke für das Publikum eingelassen wurden. CASA hat es geschafft, den jungen heimischen Autor Robert Prosser für eine Lesung seiner literarisch verdichteten Aufzeichnungen aus Armenien zu gewinnen. Fast animalisch stürzt sich Prosser auf seine komplexen Wortgeflechte, entführt die anwesenden HörerInnen in die entlegene armenische Bergwelt, macht sie mit wildfremden Personen bekannt, konfrontiert sie mit der Tragödie des omnipräsenten Bürgerkrieges, lässt sie sich mit Menschenschicksalen identifizieren. Ich sitze neben einigen anderen CASA-Stipendiaten auf den Bänken in der leeren Wanne des Hallenbades, das surreale Szenario und die fesselnde Erzählweise Prossers lassen mich kurzzeitig meinen Aufenthaltsort vergessen, auch „Geister und Tattoos“ wird signiert in meinem Bücherregal landen!

3) Carl Djerassi: Der Schattensammler. Die allerletzte Autobiographie

In den zweieinhalb Wochen gab es einen Abend, der wohl für alle beteiligten Stipendiaten der spannungsgeladenste war: die Career Longe in den edlen Gemäuern des Nobelhotels Alpbacher Hof. Uns Südtiroler CASA-Abgesandten fiel die Aufgabe zu, einen Abend mitzugestalten, an dem renommierte Wissenschaftler, Unternehmer und Intellektuelle ihr Fachwissen und Karrieretipps an interessierte Studierende weitergeben konnten; von der österreichischen Astrobiologin Pascale Ehrenfreund über den amerikanischen Informatiker Paul Horn bis hin zum Südtiroler Jungunternehmer Harald Oberrauch reichte die Riege der Experten. Ich war Paul Horn zugeteilt, der an seinem Tisch als erfahrener Start-Up-Berater angehenden Jungunternehmern den vielleicht unerwarteten Rat mit auf den Weg gab: „Um erfolgreich zu sein, müsst ihr zuerst einmal scheitern!“ – Das aus dem Munde eines Mannes, der bei IBM Supercomputer wie das Schachgenie Deep Blue mitentwickelte – Die erfrischend andere, un-europäische Sichtweise auf die dynamische Welt der Start-Up-Unternehmen, in der Horn an der University of New York einer der Protagonisten und Förderer ist, hat einigen Zuhörern und Gesprächspartnern sichtlich imponiert.
Der unbestrittene Star des Abend war jedoch Carl Djerassi, der hochbetagte Erfinder der Anti-Baby-Pille, der seine faszinierende und dramatische Lebensgeschichte von Österreich in die USA, vom Wissenschaftler zum Schriftsteller und intellektuellen Freigeist, bereitwillig mit den jungen Berufsanfängern teilte. Leider war dies eine der letzten Gelegenheiten, Djerassi noch zu erleben; er ist im Jänner verstorben. Einer der besten Wege, seine Botschaften und Erkenntnisse für die Nachwelt dennoch zu erfahren und studieren, ist die Autobiographie „Der Schattensammler“, deren Gratis-Exemplare im Rahmen der Career Lounge verteilt wurden. Diesmal konnte ich leider kein Exemplar mehr ergattern: ich war noch im Gespräch mit Paul Horn, dessen Visitenkarte ich aber nachher mein Eigen nennen konnte.

Dies waren nur einige exemplarische, aber alpbach-typische Begebenheiten, die ich so, ähnlich oder noch besser allen StipendiatInnen des Jahres 2015 wünsche! Zum siebzigsten Forums-Jubiläum und dem runden CASA-Geburtstag (10!) lässt das Thema „UnGleichheit – InEquality“ wieder ein spannendes Forum erwarten.

Bis dahin, viel Erfolg mit euren Bewerbungen!

Felix Obermair

Alle erforderlichen Informationen zu den Bewerbungsmodalitäten findet ihr hier.